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Alles Lob gebührt Allah und der Frieden und Segen sei auf Seinem Gesandten.

Vor wenigen Wochen erreichte mich eine sehr lange Mail mit dem Titel „Eine Ermahnung“ von einem Bruder, der mich zurechtweisen und ermahnen will. Seine Kritik war hart und er nahm kein Blatt vor dem Mund. Immer wieder habe ich mir Gedanken darüber gemacht, ob ich darauf eingehen soll. Letztlich kam ich zum Entschluss, dass eine offene Antwort einen Nutzen für den Bruder, als auch für die Muslime im allgemeinen sein kann, denn vieles von dem, was er in dieser Mail erwähnte, basierte auf Vorurteile. Eine offene Antwort ist also eine Gelegenheit diese aus dem Weg zu räumen. Denn ich habe keinen Zweifel daran, dass nicht nur Du so denkst, sondern tatsächlich viele, die sogar mit der Angelegenheit in Sham symphatisieren.

Aus den Antworten wird insha Allah ersichtlich sein, was der Bruder mir geschrieben hat. Die kursiv markierten Teil stellen die Einleitung eines solchen Abschnittes dar.

Zur Sache also:

Assalamu aleykum wa rahmatullahi wa barakatuhu mein Bruder im Islam!

Leider hast Du es versäumt, mir den Friedensgruß zu entbieten und es bevorzugt, mir den Gruß zu geben, den Muslime Kuffar gegenüber tun oder Personen an dessen Islam man zweifelt. (Friede sei auf demjenigen, der der Rechtleitung folgt) Es ist erstaunlich, dass die sogenannten „moderaten“ Strömungen innerhalb der Muslime, so radikal sind, wenn es um ihre eigenen Geschwister geht. Die „Wahabiten“ sind das Hauptthema der Sufis und der Takfir ihnen gegenüber geht leicht über die Zunge, da sie angeblich Allah menschliche Eigenschaften zuschreiben.

Abgesehen davon, dass ich mich nicht dem sogenanntem „Wahabitentum“ zuschreibe (worauf ich später eingehen werde), so sehe ich Dich trotzdem als meinen Bruder im Islam, der ein Recht auf den „Salam“ hat. Denn so wie man nur eindeutig in den Islam eintreten kann, so kann man auch nur eindeutig aus dem Islam austreten. Dies ist die Aqida der Ahlu Sunnah wal Jamaa. So bist Du, als jemand der sich offensichtlich zum Islam bekennt, definitiv mein Bruder, solange du nicht eindeutig etwas tun würdest, was dem widerspricht und dessen letztes Urteil darüber, den Gelehrten überlassen wird. Alles andere ist der Weg der Khawarij. Und leider muss man dieses Verhalten manchmal bei den „Moderaten“ eurer Richtung beobachten. Bis auf die Khawarij, mit denen wir uns hier konfrontiert sahen, haben ich nie eine Richtung innerhalb des Islam angesprochen oder kritisiert, denn ich bin der Überzeugung, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt hierfür ist. Diesen Luxus besitzen wir nicht. Der Kafir fragt nicht, wenn er seine Bomben auf die Städte der Muslime wirft, ob unten auf dem Markt und in den Wohnhäusern, Sufis, Salafis, Ikhwanis, Tablighis, Männer, Frauen, Kinder, Moderate oder Radikale leben. Er weiss, dass hier unten Muslime sind und diese sind sein Ziel! Und wir fragen ebenfalls nicht, welcher Richtung oder was für ein Hintergrund die Person hat, die wir aus den Trümmern ziehen. Manchmal ist es auch keine Person, sondern nur noch der Fuß dieser Person oder ein anderes Körperteil. Und es kann auch sein, dass diese Person ein Christ und kein Muslim ist. Denn es gibt einige Christen, die noch unter uns leben und auch diese verpflichtet uns der Islam zu beschützen und gerecht zu behandeln.

Und ich glaube, dass sehr viele Muslime, die unter solchen Umständen eine gewisse Zeit leben, zu dieser Einsicht kommen. Aber leider erreichen andere dieses Verständnis nie, solange sie fernab von den wahren Problemen der Ummah leben und in ihrer trügerischen Sicherheit und dem Luxus ihrer Freizeit, danach bestrebt sind, die Fehler ihrer Geschwister zu suchen und ihre Stifte und Reden gegen sie zu richten, statt gegen diejenigen, die sie als Nächstes angreifen werden. Würden sie zumindest ein wahrer Teil dieser Ummah sein und wie „ein Körper“ fühlen, wie unser Prophet s.a.s. die wahren Gläubigen beschrieben hat, so würden sie auch keine Zeit und keine Kraft dafür aufwenden können. Und Allah ist Derjenige, den wir um Hilfe erbitten.

Du hast mir vorgeworfen, dass ich kein Gelehrter sei und emotional schreibe.

Geehrter Bruder: Du hast vollkommen recht. Ich habe aber auch nie behauptet, ein Gelehrter zu sein und ich weise auch immer darauf hin, dass man sich den Gelehrten zuwenden soll. Denn es ist tatsächlich eine Krankheit, dass sich ein Großteil der jungen Muslime sich von den Gelehrten abgewendet hat und ihre Religion von unwissende jungen Männern nehmen, die sie in die Irre führen. Möge Allah uns davor bewahren. Gleichzeitig haben wir aber auch das Dilemma, dass wir in einer Zeit leben, in der es wenige vorbildhafte Gelehrte gibt. Denn was für eine Gelehrsamkeit ist es neben Unrecht zu leben und zu schweigen oder noch schlimmer – es zu unterstützen?! In der Tat, wir leben in gefährlichen Zeiten!

Und verzeih mir, dass ich häufig emotional schreibe. Ich kann einfach nicht anders, wenn ich sehe, wie meine Geschwister auf der ganzen Erde Schlimmstes widerfährt. Wenn meine Schwestern in den Kerkern irgendwelcher Tyrannen vergewaltigt werden oder meinem afrikanischen Bruder in Zentralafrika wie Vieh die Kehle durchgeschnitten wird oder in Indien, Burma und weiteren Orten Muslime lebendig verbrannt werden. Und auch dort ist es mir egal, was der Hintergrund dieser Muslime ist. Es sind meine Geschwister. Meine Brüder, Schwestern, Mütter und Väter. Während ich diese Mail hier tippe, schmerzt es mich, dass ich einem Bruder, wie dir antworten muss, dessen zumindest grössere Sorge anscheinend ich bin, statt die Feinde des Islam. Ich glaube, dass bei all den erwähnten Punkten Emotionalität angemessen ist. Ich würde gerne sagen „verpflichtend“. Aber ich halte nichts von solchen Formeln. Wer ein Herz besitzt und seine Geschwister liebt, dem kann man nicht verbieten zu fühlen und zu reagieren. Und dessen Herz tot ist oder nur für seine Gruppe schlägt, dem kann man dies auch nicht gebieten. Wir müssen an der Wurzel, nicht an den Zweigen dieses Problems arbeiten.

Du hast mir vorgeworfen, ich hätte den Hadith über die „Taifa mansura (Siegreiche Gruppe)“ gepostet und mich dieser zugeschrieben.

Ich kann mich leider dem nicht entsinnen und ich bitte Dich mir dies nochmals zuzusenden. Denn es liegt mir eigentlich fern „mich“ oder „uns“ etwas zuzuschreiben, was letztlich nur Allah weiss. Vor allem liegt es mir noch ferner „mich“ oder „uns“ „rein zu sprechen“. Möge Allah mich davor bewahren.

Unterstützt hast du deine Behauptung, dass „wir“, die Wahabiten, unserem „Propheten Abdulwahab“ folgen würden und seine Schule erst seit 200 Jahren existiere und zuvor die Sufis Jahrhunderte den Jihad geführt haben und weitaus erfolgreicher waren.

Zunächst mein Bruder: Ich spreche nur für mich und wie gesagt – ich folge nicht der Schule des Sheikh Ibn Abdulwahabs. Ich nehme von ihm, was vertrauenswürdige Gelehrte von ihm an Gutem übermittelt haben. Genauso gibt es Lehren, die man von Imam al Ghazzali entnehmen kann. Und mir ist bewusst, dass viele große Gelehrte nicht der sogenannten Salafi-Schule gefolgt sind, wie Imam an Nawawi oder Ibn Hajar al Asqalani (möge Allah mit ihnen barmherzig sein und sie belohnen). Genauso können wir Teile unserer Religion heute von einem Abdullah Azzam, Dedew, Abu Qatada oder Ibn Uthaymeen lernen. Es geht darum zu lernen über den Tellerrand hinaus zu schauen und zu erkennen, dass der Islam nicht auf eine Gruppe beschränkt ist. Dazu kommt unbedingt den Fanatismus zu meiden, der jemanden zu einem Sektenanhänger macht, der heutzutage bei allen Gruppen zu finden ist: den Salafis, Sufis und wie sie alle sich auch nennen mögen. Dabei sieht man die vollkommene Wahrheit nur bei seinen Gelehrten und seiner Sekte und die vollkommene Falschheit bei den anderen. Möge Allah uns rechtleiten. Und dann entstehen solch gefährliche Aussagen, die darüber hinaus höchst emotional, aber in diesem Fall unangebracht sind, wie „euer Prophet Abdulwahab“. Möge Allah dir vergeben.

Und ja – du hast vollkommen Recht. Die Fahne des Jihad und die Ehre diese Ummah zu verteidigen war viele Jahrhunderte in den Händen verschiedener Muslime. Sehr häufig waren es auch Muslime, die den Weg des Sufismus folgten, wie Imam Shamil vom Kaukasus oder Omar Mukhtar aus Libyen. Und solche Sufis und ähnliche wären eine Ehre für die Ummah, wenn sie heute existieren würden und der Sufismus nicht von Leuten, wie „Sheikh Nazim“ und Kadirov und seinen Anhängern, den Lakaien der Russen, vertreten sein würden. Es scheint, dass diese Art von Muslimen bis auf wenige Ausnahmen ausgestorben sind. Doch die Zeit wird gewiss kommen, wenn die Ummah als Ummah wieder auferstehen wird und sich von dieser Sektiererei entfernen wird.

Ein weiterer Vorwurf ist, dass wir Unterstützung von den Israelis im Golan bekommen würden und ähnliche wirre Vorwürfe über die hiesigen „Civil Defence Forces“ (sogenannten Weißhelme, die verschütteten Menschen aus den Trümmern bergen)

Abgesehen davon, dass ich mir dein „wir“ nicht zu eigen machen kann, so möchte ich nur kurz auf diese deine Worte eingehen. Bruder – selbst Muslime, die hier vor Ort leben, verlieren häufig den Überblick, was hier passiert. Lebst du im Norden des Landes, wirst du kaum verstehen, was genau im Süden oder im Golan passiert. Aber Du scheinst von Europa aus den Durchblick zu haben. Verzeih, wenn ich das erheblich in Zweifel ziehe. Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Nachrichten nicht nach dem Schema filtern, dass sie in unser Weltbild passen. Als Zweites kann ich dir nur erwidern, dass dein Hass dich blind für manche Wahrheiten und Fakten gemacht hat. Würdest du nur eine Woche hier verbringen und erleben, was tatsächlich passiert, du würdest aus Scham schweigen. Du würdest sehen, wer hier von wem getötet wird und wer von wem aus welchen Gründen in Ruhe gelassen wird. Aber genau da sind wir wieder beim anfänglichem Problem. Man analysiert und theoretisiert aus der Ferne und sieht und spürt nicht, was vor Ort tatsächlich passiert. Falls es dir hilft: Du bist in guter Gesellschaft. Die Wahabiten, Salafiten, Madkhalis, Ikwanis usw. verhalten sich nicht anders.

Danach zitierst du Hadithe, die die Endzeit und ihre Fitan beschreiben.

Aber ich muss, denke ich, nicht erläutern, dass diese von jeder Partei auf die andere zugeschrieben wird. Also macht es auch keinen großen Sinn darauf einzugehen.

Die 90er waren besser und unser Verhalten hat alles zerstört. Wir haben den Krieg gewollt, ohne die Kraft dazu zu haben. Jetzt ist überall Leid.

Ich sehe das Glas als halb voll an. Die Ummah hat ihren Tiefpunkt hinter sich. Sie wacht auf. Und das größere Leid, welches wir sehen, ist nichts anderes als der Versuch der Welt, diesen aufwachenden Löwen, namens Ummah, daran zu hindern, seinen Platz auf der Weltbühne wieder einzunehmen.

Nein – die Situation war NICHT besser. Sie war um einiges schlechter. Denn ich bemesse dies nicht an meinem persönlichen Empfinden, sondern an dem der gesamten Ummah. Palästina war besetzt und unterdrückt. In Bosnien fand ein Genozid gegen die Muslime statt. Der Irak wurde zerstört und über eine Million Kinder wurden dem zu Opfer. Kaschmir brannte. Die tschetschenischen Muslime wurden gebombt und getötet. In Algerien unterdrückte Frankreich durch militärische und geheimdienstliche Mittel den islamischen Volkswillen, indem sie den Khawarij zu Auftrieb verhalfen und ein Massaker anrichteten. Alle islamischen Länder wurden von Despoten regiert und die Gefängnisse waren gefüllt mit praktizierenden Geschwistern  und Folter war Alltag. Auf der Arabischen Halbinsel sammelten sich Hunderttausende amerikanische Soldaten, die bis heute ihre Basen haben.

Ja – in Europa konnte man halbwegs seinen Islam leben, ohne direkt schief angestarrt zu werden. Falls du das mit „besser“ meinst, kann ich dir teils zustimmen. Wenn man sich nicht auffällig verhielt, konnte man vielleicht auch in anderen Teilen der Welt gemütlich leben. Aber insgesamt geehrter Bruder? Nein! Die Welt war kaputt! Der Islam entfernte sich immer mehr aus dem Leben der Menschen und wurde überall unterdrückt.  Die Welt war nicht in Ordnung und dann kam der 11.9. und alle folgenden Kriege, sondern die Muslime erlebten ein Schrecken nach dem anderem und dann kamen nach jahrzehntelanger Tatenlosigkeit erste Lebenszeichen einer Ummah. Lebenszeichen, die darauf hinwiesen, dass diese Nation des Islam noch am Leben ist. Und als die Kuffar merkten, dass sie die Hoffnung der Muslime nach der Zerstörung des letzten Kalifats unter den Osmanen noch nicht vollkommen zerstört haben, sammelten sie alles militärische, politische und wirtschaftliche zusammen, um den letzten Funken auszulöschen und ein Wiedererwachen zu verhindern.

Und ja – dies hat viel Leid verursacht. Und mit noch mehr Leid ist zu rechnen. Denn der Preis zur Befreiung aus der Sklaverei ist kein billiger. Wir können uns alle aber auch hinsetzen und darüber stundenlang debattieren, ob wir die Kraft überhaupt dazu haben oder nicht. Bruder, es ist zu spät. Die Völker, und nicht eine bestimmte Sekte, sind aufgestanden in der verzweifelten Hoffnung das Leben unter diesen Tyrannen und Kuffar abzuschütteln. Nun herrscht Krieg. Ob wir ihn mögen oder nicht. Ob wir ihn für strategisch richtig halten oder nicht. Aber vielleicht magst du meiner alten muslimischen Nachbarin von gegenüber erklären, warum alles so falsch sei und sie auf die Unterstützung von dir deswegen verzichten muss und stattdessen Assad einmarschieren wird, ihre Söhne abschlachten, ihre Töchter vergewaltigen und die Überlebenden mit der Zeit durch die iranische Besatzung zu Schiiten konvertieren müssen.

Aber da du und Millionen andere es bevorzugen nicht zu kommen und nicht selber vor Ort in irgendeiner Art und Weise zu helfen und stattdessen lieber aus der Ferne eure Analysen und Kritiken zur Lage der muslimischen Brennpunkte abgibt, würde ich es bevorzugen, wenn ihr einfach schweigen würdet, statt der unter den Trümmern weinenden Mutter mit solchen herzlosen Worten noch ins Gesicht zu spucken. Ich weiss – das war wieder emotional. Aber meine Mutter hat dieses Recht über mich, dass ich ihretwegen emotional werde. Komme her, du und dein „wahabitischer“ Gefährte, den ich in der Vergangenheit dazu aufgerufen habe, hierher zu kommen, ihren Beitrag zu leisten, den Muslimen zu helfen, ihre Kinder zu unterrichten und alles zu geben, was man geben kann. Dabei könnt ihr gerne mich oder uns kritisieren, diskutieren, beschimpfen, anschreien und uns zur Vernunft bringen. Bis dahin muss ich leider vor der nichtmuslimischen Reporterin, die dieses Land betritt, um der Welt die Wahrheit zu zeigen, mehr Respekt haben, als vor euch, die ihr euch nie habt blicken lassen, sondern es bevorzugt eure Debatten als Sufis gegen die Wahabiten und als Wahabiten gegen die Grabesanbeter in euren Kämmerchen vorzubereiten. Als ob wir zu Zeiten des Kalifats der Abbasiden leben würden. Es gibt so etwas wie Prioritäten im Islam.

Der Rest deiner Mail sind nur Pfeile gegen das sogenannte Wahabitentum.

Ich kann dich dabei nur wiederholt enttäuschen, denn deine Pfeile haben ihr Ziel verfehlt. Ich sehe mich wie gesagt nicht als Verfechter dieser Schule.

Ich bitte Allah mich nicht als Wahabite, Salafi, Sufi, Ikhwani, Tablighi oder Jihadi sterben zu lassen. Sondern nur als Muslim, der versucht hat Sein Wohlgefallen zu erreichen.

Und wenn du dich dem Sufismus zuschreibst, so bitte ich Allah, dass Er dich zu dem Weg leitet, zu denen er ein Teil der sogenannten „Sufis“ in der Vergangenheit geleitet hat. Zu asketischen Muslimen, die auf der Seite der Unterdrückten in Wort und Tat standen und nicht auf der Seite der Unterdrücker und schweigenden Teufel.

Und alles Gute ist von Allah und alles Schlechte ist von mir und meinem Shaytan.

Und möge der Frieden und Segen Allahs auf unseren Gesandten sein.